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ULTIMO Bielefeld, Ausgabe 12/09-01/10 KUNST LEBT UND BEWEGT SICH
In der
auto-kultur-werkstatt von Elke Werneburg und ihrem Team geht es bunt und
kreativ zu – es darf experimentiert werden
Die Hausnummer 32 in der Teichstraße: Eine gelbe Mauer mit
grünen Ranken bewachsen und einer Flügeltür aus Holz mit bunten Glasscheiben,
die man sonst eher in der Diele eines Altbaus vermutet, fallen dem Besucher ins
Auge. „Eingang“ steht groß neben der Tür. Es ist der Eingang zur
Auto-Kultur-Werkstatt (akw) von Initiatorin Elke Werneburg und ihrem Team, zu
dem Carmen Burian und Marianne Voss gehören. Hinter der Tür befindet sich ein verwunschen wirkender
Innenhof, der an Berliner Hinterhöfe erinnert. Früher befand sich in dem alten
Gebäude einmal eine Autowerkstatt, damals kaufte Elke gemeinsam mit einigen
anderen Leuten das Haus und sie machten daraus eine WG. Heute ist Elke
alleinige Besitzerin. Seit 2003 hat sie das frühere Wohnzimmer zur Bühne, zum Veranstaltungsraum,
Atelier und Gruppenraum umfunktioniert – je nach dem, was auf dem Programm
steht. Hier haben Künstler und Performer, die noch keine Größen im Geschäft
sind, Raum sich zu verwirklichen und ihr Können zu präsentieren. Eine große
Fensterfront gibt freien Blick auf den Innenhof und erfüllt den Raum mit Licht.
Überall im Raum verteilt, finden sich einige von Elkes Skulpturen: Ein Kleid
aus dünnen Metallbahnen, das sie für einen Mann entworfen hat, der damit auf
einer Recycling-Modenschau in Bonn über den Laufsteg ging. Ein
Spinnennetz aus Kleinstteilen vom Schrottplatz zusammengesetzt für eine
Ausstellung in der ehemaligen Hechelei. Oder eines von Elkes jüngeren Werken,
ein Kleid aus vielen kleinen Stoffteilen zusammengesteckt, die sie auf einer
Reise in Afrika auf den Straßen - von
Ouagadougou gefunden hat. Mit einem nicht sehr hohen Podest ist die Bühne vom
restlichen Teil des Raumes getrennt, hier
finden gelegentlich Theater- oder Musikaufführungen von verschiedenen Gruppen, Lesungen oder Percussions statt.
Eine Wendeltreppe führt von der Bühne in weitere Räumlichkeiten, die zurzeit
an zwei Künstler vermietet sind. Vor der
Bühne stehen Stühle für das Publikum, keiner gleicht dem anderen. So findet
Elke es schöner. Bunt, kreativ und preisgünstig - die Stühle wären sonst längst
auf dem Sperrmüll. Das Programm der akw,
ist ähnlich gestaltet - bunt und kreativ. Hier gibt es nicht nur
bildende Kunst zu sehen sondern auch Musik, Lesungen, Theater und Performances
zu erleben. Es wird interdisziplinär und experimentell gearbeitet. Musik oder eine Ausstellung kann
beispielsweise mit einer Lesung verbunden werden. „Kunst lebt und bewegt
sich“, sagt Elke und wer sich bei ihr umschaut, weiß was sie meint.
Ausstellungen von Künstlern, die „nur“ Bilder malen werden hier nicht zu sehen
sein, das wäre nicht dynamisch genug. „Die akw-Kunst soll radikal, spinnert,
spaßig, mit Gefühl und Geist ausgeführt werden.“
Neben dem Veranstaltungsraum gibt es in der akw noch die
„treppenhausgalerie“. Wie zu vermuten,
handelt es sich dabei um eine Galerie im Treppenhaus des alten Gebäudes. Dort
ist es kühl, die Wände sind aus Stein und etwas abgewetzt, es strahlt die
Atmosphäre eines alten verlassenen Fabrikgebäudes aus. Es ist perfekt für
Ausstellungen. Die „treppenhausgalerie“ ist ein Ergebnis der vielen
Mitmach-Projekte, die in der akw angeboten werden. In den Projekten wird nach
„learning by doing“ verfahren: Die Projektleitung organisiert die künstlerische
Arbeit, macht inhaltliche und methodische Vorschläge. Die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer entscheiden gleichberechtigt den Prozess des Projektes mit. Momentan
stehen der Literaturgesprächskreis, die Nähwerkstatt, eine Filmgruppe und
Lebenskunst-Coaching im Angebot.
In der akw kann mitmachen wer will, sei es um an der eigenen
Persönlichkeit zu arbeiten oder mit Ausdrucksformen zu experimentieren - aber
kreativ soll es sein und Spaß soll es machen.
Janne Hiller
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Westfalenblatt, 31.08.2010
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Westfalen-Blatt, 13.03.07
Der Club der lebhaften Frauen
In der Auto-Kultur-Werkstatt
ist alles erlaubt, nur phantasievoll soll es sein
Von Matthias Meyer zur Heyde und Bernhard P i
e r e l (Fotos)
• Bielefeld (WB). Zuerst war die
Tür da, dann wurde der Durchlass in passender Größe gemauert:
Hinter zwei Torflügeln, die von einem alten Bauernhof stammen, erstreckt
sich ein charmant verwitterter Patio, und von dort betritt der Besucher
die »Werkstatt«.
An der Teichstraße 32 wurden früher
aus Schrott fahrbare Vehikel geklöppelt. Und auch jetzt noch werden
hier Dinge verarbeitet, die keiner mehr braucht: In der »Auto-Kultur-Werkstatt«
(AKW) entsteht seit nunmehr drei Jahren aus Drähten und Elektrokabeln,
aus Garnrollen und Buntmetallstreifen, aus verrosteten Fahrrädern,
gerne auch aus Zuckerwürfeln, Kunst.
»Die AKW ist ein besonderer Ort, an dem
sich Menschen frei entfalten können, ganz unbeschwert von anderswo
geltenden Normen und Werten«, sagt Elke Werneburg über den Geist,
der hier umgeht. Gemeinsam mit der Künstlerin und Psychologin Carmen
Burian (62) und der Schweizerin Marianne Voss (44) haucht die freischaffende
Künstlerin (»schreiben Sie: 50«) der Melange aus Privatraum,
Atelier und Bühne Leben ein. So vernehmlich pulsiert das kulturelle
Herz an der Teichstraße, dass sich die Stadt in diesem Jahr zu den
»Nachtansichten« (28. April) erstmals mit der AKW schmücken
möchte. »Ich arbeite liebend gerne mit Fundstücken«,
sagt Elke Werneburg, und es ist ihr egal, ob sie zentnerschweres, bizarr
geformtes Alteisen vom Schrottplatz in die AKW zerren muss, oder ob sie
in einem israelischen Cafe ein paar Zuckertütchen ins Handtäschchen
expediert. Zuckertütchen mit den Porträts wichtiger Männer.
Läse der Mitteleuropäer fließend Hebräisch, könnte
er die Identität der würdigen Herren zweifelsfrei klären,
aber auch so ahnt er, dass David Ben Gurion tütchenwürdig ist,
Chaim Weizmann vielleicht und Theodor Herzl ganz gewiss.
Tochter Zion, freue dich, es gibt was Süßes:
Angeregt von der jüdischen Kinokomödie »Alles auf Zucker«,
hat Elke Werneburg aus Saccharose, Glukose& Co. ein Modell von Israel
geschaffen: hier der Felsendom (Zuckerguss), dort die Mauern um Palästina
(Zuckerstangen), dahinter die Negev (Raffinade-Zucker) und ringsherum Zuckerwürfel,
damit man sieht, wo die Kunst aufhört und die Tischplatte anfängt.
Sinnend steht man vor dem Werk, und man ahnt
die Ironie: Ganz so dulce et decorum, so süß und ehrenvoll,
ist es eben nicht, fürs Vaterland, für Mossad oder Intifada sein
Leben in die Waagschale zu werfen. »Aus dem Material erwachsen die
Ideen«, meint Elke Werneburg, und hinter ihr blinkt und blitzt eine
elektrifizierte Kabelskulptur, die schon bei den Stadtwerken ausgestellt
war: Mann und Frau strampeln auf einer Fahrradruine, und wenn das Herz
der Frau erglüht, blinkt des Mannes Gehirn. Gegenüber klingeln
und ringeln sich rot-goldene Metallbänder zum Kleide, in das sich
mal ein
Transvestit zwängen musste - ja, ja, tief-
und hautabschürfend ist die Kunst. Unterdessen arbeitet die Filmspezialistin
Carmen Burian an einem Video, das während eines AKW-Events aufgenommen
wurde und das nun seine endgültige Schnittfassung erhält. »Die
Aktionen, die hier zu sehen sind, fanden zeitgleich statt, und das muss
der Zuschauer auch im Video erkennen können«, sagt die Künstlerin.
Für Aktionskunst jeder Art ist die AKW mit
dem Wohnzimmersaal, der Küchenattrappe, in der selbst Zwerge Platzangst
kriegen,und mit den in geheimnisvolles Halbdunkel getauchten Nebenräumen
der ideale Ort. Beim Poetry Slam schmatzen »Musenküsse«,
Garagenrockbands dschämmen, und das Treppenhaus mutiert zur Galerie.
Ebendort soll sich auch ein Teil der »Nachtansichten« ab spielen;
Carmen Burian hat hier mal ein Video in die Treppenhauskuppel projiziert,
dessen Bilder über spiegelnde Glasplatten zaubergleich umgelenkt wurden.
Die »Oralapostel« servierten hier gemüsezentrierte Eat
Art, und eine hochalpine Dame wollte die Ostwestfalen das Jodeln lehren
(es kam keiner). Radikal, spinnert, spaßig - bunt schillert das Selbstverständnis
der geist- und phantasievollen AKW-Aktivistinnen, die dem Neuling ebenso
ein Forum bieten -wie der arrivierten Szene. Der Club der lebhaften Künstler
funktioniert übrigens wie eine WG. Skulptur reinrollen und dann abgehobene
Statements produzieren ist verpönt - bitte mit anpacken! Staub wischen!
Getränke ausschenken! Und nach getanem Event das Mobiliar zurechtrücken.
Werkstattgespräche. Filme zum Umfallen und Schwarzlicht -Tarot (huaaa!)
- all das ist »Auto-Kultur-Werkstatt«. Wers detailliert mag-
ruft an (0-521 5214528) oder schickt eine mail an auto-kultur-werkstatt@web.de |
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Kunst mit Herzen:
In dieser Installation hat Elke Werneburg mit
dem Antagonismus
"männlicher Verstand vs. weibliche Emotion"
gespielt
Schweißbrenner werden in der Teichstrasse
32 immer gebraucht -
früher, um Autos herzurichten, jetzt, um
phantasievolle Objekte zu schaffen.
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Zwei von drei AKW-Aktivistinnen: Elke Werneburg (li.)
und Carmen Burian nutzen das Treppenhaus als Showroom. Im Ouvre links im
Bild wurde übrigens New Yorker Straßenpflaster aus dem 19. Jahrhundert
verwendet - Kunst, über die einst vielleicht auch Buffalo
Bill gestiefelt ist ... |
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