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„Kunststücke,
Kleinode und andere Kalamitäten“ (2009)
interaktive
Kunst, (Ausstellung/Tausch), Installation mit Mitbringseln aus aller Welt,
Kunststücke
und andere skurille Fundstücke, die Menschen am Herzen liegen und
deren vertextete Geschichten.
Projekt
und Texte © Elke Werneburg
Fotos
© Marianne Voß
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1.
Jasmina wollte mir Pissy, das Viertel in dem sie wohnt, zeigen. Es war
wie jeden Tag in Ouagadougou sehr heiß, rot-staubig und trocken.
Die 14jährige Tochter meines afrikanischen Freundes Sanon war vergnügt
und munter, während ich nur daran dachte, möglichst schnell in
den Schatten zu kommen und Wasser zu trinken. Jasmina hatte viel Spaß
daran, mich mit meiner Camera zu filmen, als ich plötzlich auf dem
Boden dieses kleine Ding sah. Ich konnte nicht widerstehen, nahm es mit
und machte ein Kunststück daraus: Die „Afrikanische Spardose ohne
Boden“ ist es jetzt. |
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4. Es war einfach
zu anziehend, was da auf der anderen Seite im Dreck auf der Skalitzerstraße
lag und rumblitzte. Was konnte das sein? „Weltraumschrott“, gelandet in
Berlin, ging mir beim Draufzugehen durch den Kopf und ich fantasierte,
wo er wohl herkommen mochte: vom Spaceshuttle oder gar vom Mond? |
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2. Aurelien
hat einen ganzen Sack dieser Magiepuppen aus seinem Heimatort in Benin
mitgebracht und mir gezeigt. Eine Figur hat mir seine Lebensgefährtin
Monika bei meinem Besuch in Ouagadougou für die Ausstellung zur Verfügung
gestellt. Aurelien malt und fertigt in seinem Atelier größere
Malereien und auch Holzskulpturen an.
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5. Mein Neffe Jörg
arbeitet in Hongkong und ist mit einer Taiwanesin verheiratet gewesen.
Zu vielerlei Angelegenheiten haben wir Tanten von dem Paar niedliche, asiatische
Kleinigkeiten, wie diese Konfektschachtel, geschenkt bekommen. Mir waren
die Innereien zum Essen zu süß und irgendwie auch zu schade.
Nun reihen sie sich ein in die Süßwarenserie. |
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3. Elisabeth Masée
war eine der Gäste bei den „Werkstattgesprächen“ der auto-kultur-werkstatt
(akw) im Rahmen der Veranstaltungsreihe des „Louise-Bourgeois-Fanclubs“.
Sie stellte sich und ihre Kunst vor einem Publikum vor und es wurde
anschließend darüber diskutiert. „Ich Zipfel“ ließ sie
als Geschenk da. |
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6.
Im Schaufenster zog es meine Blicke magisch an, als ich das erste Mal nach
der Maueröffnung mit meinem Freund Wolle im Auto durch die DDR und
die Stadt Burg juckelte. Manche mochten die Straßen und Orte entlang
der alten Autobahn Helmstedt - Berlin verwahrlost, grau und dreckig finden,
wir waren begeistert von ihnen. Fast war es, als tauchte man in ein anderes
Jahrhundert ein. Und dann, plötzlich in einem Schaufenster, dieser
Nadeleinfädler! Uncredible, typisch DDR-Design. Und, kaum zu glauben,
er funktioniert! Noch heute kann ich immer wieder den Kopf schütteln
über dieses Kleinod. |
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7.
Mit der Künstlergruppe MWER durften wir, Ralf, Micha, Wolle und ich,
in der Bielefelder Landmaschinen-Firma Kuxmann wochenlang rumwerkeln. Der
Chef war gerade dabei alles auszusortieren, denn aus finanziellen Gründen
sollte die Firma in den Osten umgesiedelt werden. Nach und nach entstand
aus unserem Spiel mit dem Material und den Fundstücken in der Fabrik
eine Kunstausstellung. Es war grandios! Danke, Herr Kuxmann, für dieses
Spielfeld. Die Übrigbleibsel kamen später alle auf den Schrott.
Mit tat es richtig weh, das mitzuerleben. Dieses rote Ölkännchen
rettete ich. |
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8.
Irgendwo bei Straßburg, am Rande eines kleinen Dorfs, lag eine alte,
verlassene Spinnerei. Da hatten schon irgendwelche Menschen gehaust und
herausgerissen und mitgenommen, was sie verwerten wollten, als Wolle und
ich dort ankamen. Überall zwischen Schutt und Müll lagen noch
100te dieser Spindelhölzer auf dem Boden herum, die offenbar niemand
gebrauchen konnte. Mich berührten sie sehr, sie waren wie bunte Punkte
im kargen, bizarren Ambiente und wunderschön in der Vielfalt und Bearbeitung
des Materials. Heute werden sie vor allem bei Percussions eingesetzt. |
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9.
Das Täschchen hat Anna in der „Kreativen Werkstatt“ der akw entworfen
und hergestellt. Es ist vollständig aus Recyclingmaterialien (Schreibunterlage,
Schlauch, Kronkorken und Gemüsenetz) gemacht. Annas Anliegen war es,
aus dem „Abfall etwas ganz Süßes (!)“ zu schaffen. Was unter
anderem damit zu tun hat, dass sie Bonbons sehr liebt und sie diese bei
dem Kunstlichter-Event „Ich in Licht und Schatten“ schon in ihr erstes
Kunstwerk integrierte. Dies ist "Schichi". |
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10.
„Liebe Elke, den Kürbis habe ich mir aus Adrasan/Türkei aus dem
Garten im Oktober 2005 mitgebracht. Da es ein Peniskürbis ist, übersteigt
die Höhe die von dir vorgegebenen 15 cm. Dann hätte ich als Alternative
noch japanische Holzschuhe Geishaschuhe, beschriftet mit den Namen meiner
Gastgeber und der Jugendgruppe, mitgebracht 1980 von meiner Japanreise...“
Liebe
Gabi, ich würde auch beides ausstellen! |
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11. Der kleine Kürbis
ist ein typisches Mitbringsel aus Peru, so eines, was normalerweise zuhause
nach gewissen Zeiten im Müll landet. Ich habe es aufgehoben - natürlich
- typisch Elke. Aber: Die eingeritzten Motive, vor allem das Lama (oder
Alpacca?), sind so hübsch und wiederum so typisch südamerikanisch,
das jeder beim Schauen ausruft: „Schau, ein Lama, das spuckt!“ |
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12. Dieses Kunstwerk
habe ich von Micha (Galerie 61) auf einer Ausstellung in Halle/Westfalen
gekauft. Micha nennt es "einen seiner Planeten ,akw-Planet“. Mir hat er
natürlich auch ganz besonders deshalb gefallen, weil er so gut in
die auto-kultur-werkstatt (akw) passt. Sein Werk hat aber nur sehr,
sehr vermittelt etwas damit zu tun. Eigentlich nur in meiner Fantasie. |
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13.
Dieses Kunststück gestaltete Bridgy für die Straßenkunst,
die jedes Jahr im Sommer in Binz auf Rügen zu erleben ist. Zusammen
mit einem Musikanten, einem Marionettenpiraten und verschiedenen bildenden
Künstlern belebt eine KünstlerInnengruppe dort das Straßenbild.
Bridgy ist Zauberfee und verzaubert die kleinen Mädchen mit Zauberzöpfchen
und -sprüchen, bunten Kettchen und solchen kleinen Accessoires, wie
z.B. diesem Tempel. Ob sie sich in dem kleinen Engelchen im Tempel spiegelt? |
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14. In New York,
irgendwo in Soho auf meinen langen Zufuß-Touren durch die Stadt,
fand ich dieses Kleinod im Karton im Straßengraben. Ohne genau zu
wissen, was es ist, habe ich es mitgenommen und später identifiziert.
Der "Fadenführer "funktioniert wirklich, ist aber, so finde ich, unpraktisch,
sperrig und absolut überflüssig. Ich bin natürlich keine
Strickerin oder Häklerin |
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15.
Dieses Objekt habe ich in New York gefunden, irgendwo auf meinen langen
Touren durch die Stadt. Es ist sicher der 50. Spiegel, den ich besitze,
und etwas ganz besonderes für meine Spiegelgeschichten-Serie, die
ich als Performerin durchführe. Ganz extraordinaire ist er! Er lag
am Straßenrand der Fashion-Avenue, auf dem Weg zur Arbeit ins Sage-Theater.
Das wunderbare war, ich konnte den Spiegel sofort einbauen in unser Improv-Theater-Programm. |
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16. Die Zinn-Platten
sind vom Schrottplatz. Ich kaufte sie für eine Kunstaktion in einem
meiner, von meinen Kollegen ironisch oder abfällig bezeichneten „Schrottkurse“
(Recycling-Kunst-Projekte) im Oberstufenkolleg der Uni Bielfeld und setzte
die Drucke künstlerisch ein. |
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17. Na, wo kann
man so etwas finden? Auf jeden Fall in Miami, Southbeach, in den einschlägigen
Ecken. Die Funktionsfähigkeit des Female Condoms habe ich nicht ausprobiert,
das Ding ist also noch neu und einsetzbar. |
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18.
Die Olivenholzscheibe hat Wolfgang aus Kalabrien mitgebracht. Er hat dort
1978 in einem Forschungsprojekt zur Wasserwirtschaft gearbeitet. Ansässige
Bauern sägten dieses Stück Holz im Zusammenhang mit der Baumholzaufbereitung
ab. Seitdem dient es ihm als Unterlegscheibe, zurzeit für einen kleinen
exotischen Kerzenständer. Wolfgang mag dieses Stück sehr und
ist begeistert von der Härte und Struktur des Holzes. |
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19.
Das Foto hing als Übrigbleibsel vom Vormieter über dem Spülbecken
in Bridgys und meiner frisch renovierten Wohnung in Berlin Kreuzberg. Da
ich nach Berlin ‚der Muße wegen’ gehe, sollte es auf jeden Fall dort
hängen bleiben. Bridgy, schon immer so lebensklug, war natürlich
dafür. Das Foto hat dort seinen Ehrenplatz behalten und der Umgang
mit der Message hat sich inzwischen bewährt. Jetzt wird daraus eine
Kunstkarte entstehen, als Postkarte für andere kluge Menschen. |
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20.
Die „Salatladies“sind schon 40 Jahre in meinem Besitz. Ich habe sie von
einer schwedischen Künstlerin geschenkt bekommen, die Dorle
und ich kurz nach dem Abi in der Transsibirischen Eisenbahn kennen
lernten. Frau Tjärnström aus Stockholm hat mich tief beeindruckt,
wie sie mit ihren 70 Jahren, in ihrem lila Lederkostüm, mit uns diese
Reise nach Tokio machte - und das allein! Danke, Frau Tjärnström,
für Ihr Vorbild als Reisende, das Sie mir wurden und für das
Geschenk. Ich benutze das Salatbesteck, das Sie aus Kenia mitbrachten,
bei besonderen Gelegenheiten und ich freue mich immer wieder darüber,
dass es zwei Frauen sind - wahrscheinlich ein Massai-Pärchen. |
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21.
Das wunderschöne Sitzkissen-Objekt in chinesischem Stoff stammt nicht
aus China oder einem sonstigen asiatischen Land, nein, es wurde gefunden
in Berlin, „irgendwo in lesbischen Kreisen“, sagte mir Susanne dazu. Während
der Ausstellung bei den „Offenen Ateliers“ stieß es einige interessante
Diskussionen an. Es war nicht leicht, „Frau Klit“ zu finden und es ging
vor allem um die Frage, ob es Klitoris oder Möse darstellt? |
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22.
Bei diesem Kleinod weiß ich nicht genau, ob ich stolz darüber
sein darf es zu besitzen, oder ob ich mich schämen muss. Ich habe
es in einem Kaufhaus in der Ginza in Tokio, das ich von oben bis unten
nach einem Mitbringsel durchkämmte, „gekauft“. Ich fand, es
war das interessanteste Objekt im riesigen Haus und ich wollte es so gerne
haben. Ich fragte nach und dann gab es eine lange Rederei hin und her auf
deutsch und japanisch mit englisch versetzt, in der ich den Verkäufern
klarzumachen versuchte, wie wunderschön ich das Objekt fand und dass
ich dafür viel bezahlen würde; sie mir dagegen - so habe ich
jedenfalls das Gespräch gedeutet -, dass es unverkäuflich sei.
Es wurde ja benutzt zum Anfertigen der Quittungen. So handwerklich und
hübsch waren die Belege damals in den japanischen Kaufhäusern
tatsächlich noch. Ich war so stolz, es dann wirklich (natürlich
geschenkt!) erhalten zu haben. Heute ehre ich es sehr und würde so
gerne damit arbeiten. |
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23.
Konfekt oder lateinisch confectum heißt so viel wie: speziell „angefertigt“
und ist eine Bezeichnung für feine Zuckerwaren wie diese kleinen Pralinen.
Klein, aber fein liegen sie in einem mit Wiener Motiven verzierten Schatzkästlein,
das die Atmosphäre der alten Metropole charmant wieder gibt. Dabei
handelt es sich um ein Souvenir des Herrn Stasny, der, ganz der charmante
Wiener, sie mir als originäres Wiener Mitbringsel überreichte. |
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24.
Den Korkenzieher kaufte ich in dem Secondhandmarkt (einem Sozial-Projekt
für Alkoholiker und andere Gehandicapte) oben am Berge in Soller,
den ich auf Mallorcareisen gerne besuche. Ich bin mir nicht sicher, ob
er vollständig erhalten ist, oder ob an dem Korkenzieher etwas fehlt,
etwas zum Rauf- und Runterdrehen vielleicht? Auf jeden Fall funktioniert
er, sieht lustig aus mit seinem Gesicht und wurde schon mehrfach bewundert,
sogar gefilmt. |
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25.
Als Yoko Ono ihre Einzelausstellung 2008 in der Kunsthalle Bielefelds hatte
und eine Performance machte, hatte ich das Glück dabei sein zu können.
Zum Schluss ihrer Bühnenshow - in der sie den Leiter der Kunsthalle
Thomas Kellein in einen Sack lockte, ihn teilweise entblößte
und ihm somit symbolisch das Zepter aus der Hand nahm, um dann persönlich
das Gespräch mit dem Publikum zu führen - gab es die Scherbenaktion.
Kunst für die Zukunft: Eine große orientalische, zertrümmerte
Vase wurde von Yoko zur Verfügung gestellt und wir dürfen
die ergatterten Scherbenstückchen „in ten years“, wieder mit Yoko
zusammensetzen. |
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26.
Ich war nicht bei der Queen persönlich, aber mit Mathias und Hartmut
zu Gast bei der deutschen Botschaft in London. Zum ersten Mal erlebte ich
solch großbürgerliches Milieu: im Vorraum gab es den Aperitif
und Kaffee, dann Hineingebetenwerden in den Speisesaal, Sitzen um den großen
Tisch (die wichtigsten Personen direkt neben dem Botschafter), Kellner
mit silbernem Service immer wieder hinter mir schon zum Frühstück,
die Wunderbares (wie irgendwelche Spinatfiguren) servierten - und mich
störten. Ich erlebte auch eine „Frau Botschafter“ deren Aufgabe die
Präsentation war und die sehr traurig aussah. Zu all diesem passt
die Bonbondose genau. |
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27. Die kleine Glasskulptur,
in der man Liebemachen von allen Seiten anschauen kann (von rechts und
links, oben und unten, sogar quer), stammt aus Regensburg. Das Kleinod
hat ihr Wolfgang in den Anfängen ihrer großen Liebe von dort
mitgebracht. |
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28.
Dieser kleine Stofffetzen ist einer von 100en, die ich auf den Strassen
von Ouagadougou aus dem roten Sand aufsammelte, zerrissen, oder wie dieser
in Schleifen gebunden. Sie lagen auf den Strassen herum und schmückten
das Straßenbild. Meine Recherchen führten mich zu vielen kleinen
Nähereien in der Stadt, z.B. der, von Jasmins Vaters kleinem Familienbetrieb.
Die Stoffreste werden zum Putzen gebraucht oder einfach so auf die Strasse
geworfen. Jasmin arbeitet in der Näherei und kaufte mit mir Stoff
auf dem Markt ein. Alle MitarbeiterInnen waren an der Produktion meiner
Bluse beteiligt. Vater schneidet zu, der Hauptnäher war ein anderer
Mann und die Frauen machen kleinere Arbeiten und bügeln - mit Kohlebügeleisen. |
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